Zum Inhalt springen

„Wir dürfen uns nicht aus unserer politischen Verantwortung entlassen!“ – Selbsthilfe und Kompetenzzentrum diskutieren über Rolle und Arbeit des Kompetenzzentrums

Am 29. April 2024 trafen wir uns mit rund 30 Teilnehmenden im Haus für Barrierefreiheit. Im Rahmen unseres jährlich stattfindenden Selbsthilfebeirats hatten wir zu einer Podiumsdiskussion eingeladen.

Welche Rolle hat das Kompetenzzentrum in Hamburg? Welche Rolle haben die Selbsthilfeverbände? Und wie passen die zusammen?

Das wollten wir mit Vertreter*innen der Selbsthilfe im Rahmen unseres Selbsthilfebeirats diskutieren. Auf dem Podium sprachen:

Axel Graßmann, Geschäftsführung Lebenshilfe Landesverband Hamburg e.V.

Ines Helke, stellvertretende Vorsitzende Deutsche Gesellschaft der Hörbehinderten - Selbsthilfe und Fachverbände e.V.

André Rabe, 2. Vorsitzender Blinden- und Sehbehindertenverein Hamburg

Markus van de Loo, Mitglied des Vorstands der DMSG e.V., LV Hamburg

Heike Wandke, Vorsitzende Inklusionsbeirat Hamburg-Nord

Willy Laudehr, Fachbereich Information und Kommunikation, Kompetenzzentrum für ein barrierefreies Hamburg

Moderiert wurde die Veranstaltung von Anna Dobert, Kompetenzzentrum für ein barrierefreies Hamburg.

von links nach rechts: Markus van de Loo, Heike Wandke, Wilfried Laudehr, Anna Dobert, Axel Graßmann, André Rabe, Ines Helke

So kam es zum Kompetenzzentrum für ein barrierefreies Hamburg

Der Abend begann mit einer kurzen Begrüßungs- und Vorstellungsrunde. Dann fasste Heiko Kunert, Geschäftsführer des Blinden- und Sehbehindertenvereins Hamburg – einer der drei Träger des Kompetenzzentrums –  die Entstehungsgeschichte des Kompetenzzentrums kurz zusammen. Dabei hob er das Engagement der Selbsthilfeverbände hervor, die schon lange gefordert hatten, dass in Hamburg ein eigenständiges Beratungsangebot zur Barrierefreiheit öffentlicher Einrichtungen geschaffen werden sollte. Die dringend benötigten Beratungen wurden bis dahin von Selbsthilfeorganisationen für Menschen mit Behinderungen geleistet, und zwar hauptsächlich ehrenamtlich. Der Bedarf an Beratung, Information und Stellungnahmen wurde ständig größer. Die UN-Behindertenrechtskonvention fordert Barrierefreiheit als Voraussetzung für eine inklusive Teilhabe behinderter Menschen in allen Lebensbereichen. Immer mehr Behörden, städtische Gremien und andere öffentliche und privatwirtschaftliche Stellen suchten deshalb qualifizierten Rat – insbesondere in den Bereichen barrierefreies Planen und Bauen sowie barrierefreie IT. Die Anforderungen an die Beratungen stiegen ebenfalls. Darum wurde 2019 schließlich mit dem Kompetenzzentrum ein zentrales Angebot mit hauptamtlichen Mitarbeitenden aufgebaut.

Heiko Kunert fasst die Entstehungsgeschichte des Kompetenzzentrums zusammen.

„Ist die Existenz des Koba im Leben in unserer Stadt spürbar?“

Nach der Einführung durch Heiko Kunert startete die Podiumsdiskussion mit dieser Frage. Die Teilnehmenden waren sich einig: Ja, ist sie! In konkreten Projekten wie z.B. dem Holstenquartier oder dem Kulturhaus Eppendorf genauso wie generell im gesteigerten Bewusstsein der Verantwortlichen in der Stadt. Die Mitarbeiter*innen verfügen über ein umfangreiches Knowhow und können so die Interessen der Selbsthilfe durch fachliche Beratung unterstützen. Aber auch wenn sich in unserer Stadt schon vieles verbessert hat, gibt es noch viel Potenzial. Die verschiedenen Bedarfe sind sehr komplex. Vor allem braucht es noch mehr Einsatz dabei, Maßnahmen zur Barrierefreiheit auch tatsächlich umzusetzen. Dies allerdings, so wurde es im Laufe der Diskussion klar, liegt nicht im Aufgabenbereich des Kompetenzzentrums. Dieses berät und schult. Ob die vorgeschlagenen Maßnahmen auch umgesetzt werden, ist in der Regel die Entscheidung des Bauherren. Denn oft gibt es keine rechtliche Verpflichtung zu Barrierefreiheit. Auch deshalb kann es dazu kommen, dass die Mitarbeiter*innen des Kompetenzzentrums zwar im Planungsprozess beteiligt werden, am Ende trotzdem spezifische Bedarfe nicht erfüllt sind. Aus dem Publikum kam der Vorschlag, dass es hier zielführend wäre, in Hamburg eine öffentliche Stelle zu haben, die nach Vollendung der Bauzeit verbindlich auf Barrierefreiheit prüft und damit auch, ob die empfohlenen Maßnahmen wirklich realisiert wurden. Dies könnte die Barrierefreiheit in Hamburg sehr nach vorne bringen.

André Rabe spricht auf dem Podium

Gemeinsam mehr erreichen

Rückmeldungen aus der Selbsthilfe sind wertvolle Ankerpunkte für die Arbeit des Kompetenzzentrums. Herr Laudehr machte deutlich, dass das Team fachlich berät, aber nicht politisch arbeitet. Die Sprecher*innen auf dem Podium betonten, dass es besonders wichtig sei, dass die Selbsthilfe weiterhin aktiv Kritik äußert und sich für die politische Durchsetzung der Barrierefreiheit stark macht. Mit der Kombination aus fachlicher Beratung einerseits und politischem Engagement andererseits können Kompetenzzentrum und Selbsthilfe so gemeinsam viel erreichen. Aus dem Publikum kamen verschiedene Wortmeldungen, die unterstrichen, dass die Interessen der verschiedenen Selbsthilfeorganisationen gebündelt werden sollten, um die Umsetzung von Inklusion möglichst effektiv voranzutreiben. Wie Heike Wandke in der Abschlussrunde es so treffend formulierte: „Es ist schön zu sehen, dass wir nicht allein sind! Der Austausch macht Mut, dranzubleiben!“

Heike Wandke spricht auf dem Podium

Gelungenes Format mit Wiederholungspotenzial

Podium und Publikum waren sich einig: Der Selbsthilfebeirat 2024 war eine gelungene Veranstaltung. Das Format des Abends fand viel Zuspruch und soll im nächsten Jahr wiederholt werden: eine Abendveranstaltung mit Podium und Publikum, unter einem thematischen Schwerpunkt. So können Selbsthilfe und Kompetenzzentrum ins Gespräch kommen und alle von Austausch und Wissenstransfer profitieren. Für eine spannende und interessante Veranstaltung ist eine gemeinsame Themenfindung wichtig. Gern stoßen wir vom Team des Kompetenzzentrums diese an und übernehmen die Koordination. Wir freuen uns schon jetzt auf die Vorschläge aus der Selbsthilfe!