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Nicht lange suchen – gleich finden!

Was bringen barrierefreie Zugänge, Rampen, Aufzüge und Serviceeinrichtungen, wenn sie nicht zu finden sind? Oft sprechen angeblich gestalterische Aspekte gegen eine deutlich sichtbare bzw. auffindbare barrierefreie Umsetzung. Die Teilnehmenden unseres Selbsthilfebeirats am 27.3.2023 hatten dazu eine klare Meinung.

Eine Gruppe von Menschen sitzt um einen Tisch und unterhält sich. Im Hintergrund ist eine Tagesordnung an die Wand projiziert

Dieses Jahr hatten wir uns vom Kompetenzzentrum für ein barrierefreies Hamburg für ein neues Veranstaltungsformat für unseren Selbsthilfebeirat entschieden. Statt Fachvortrag mit anschließender Diskussion im Plenum luden wir die Teilnehmenden ein, selbst unmittelbar aktiv zu werden. Der Abend stand unter dem Thema: Nicht lange suchen – gleich finden! „Auffindbarkeit“ und “Verständlichkeit“ als Grundanforderung der Barrierefreiheit

Für unsere Arbeit ist es hilfreich, das, was wir tun, immer wieder zu reflektieren und festzustellen, was Menschen mit Behinderung „unter den Nägeln brennt“ und was für sie wirklich wichtig ist. Mit diesem Ziel laden wir die Mitglieder der Hamburger Behindertenselbsthilfe einmal jährlich zu unserem Selbsthilfebeirat ein. „Wir denken, dass wir mit unserer Arbeit bereits notwendige und spürbare Verbesserungen in der Stadt bewirken. Es bleibt dennoch sinnvoll, immer wieder Rückmeldungen von denen zu holen, die von unserer Arbeit profitieren sollen“, so Joachim Becker, im Kompetenzzentrum verantwortlich für den Bereich Verkehrs- und Freiraumplanung. Außerdem wollten wir diesmal im Besonderen eine Möglichkeit zu niedrigschwelligem, persönlichem Kontakt auf Augenhöhe schaffen.

Zusammenarbeit auf Augenhöhe

Dazu hatten wir für den 27.3.2023 einen Werkstattabend zum Thema „Auffindbarkeit und Nutzbarkeit von barrierefreien Einrichtungen“ vorbereitet. Nach einer kurzen Begrüßungs- und Vorstellungsrunde erläuterte unsere Öffentlichkeitsreferentin Anna Dobert den Ablauf: Im großen Veranstaltungsraum im Haus für Barrierefreiheit waren drei Tische verteilt. Die Teilnehmenden konnten jeweils 10 Minuten pro Tisch in einer Kleingruppe von vier bis sieben Menschen zu einem vorbereiteten Beispiel Ideen austauschen und diskutieren. So wurde etwa über Aufzüge, Leitsysteme oder Bahnhofsschließfächer gesprochen. Dabei konnten sich die Teilnehmenden an vier Leitfragen orientieren:

1. Gefällt euch das so? Könnt ihr das so gut nutzen?
2. Ist zu erkennen, warum das hier so gelöst ist?
3. Ermöglicht euch die Lösung gleichberechtigte Teilhabe?
4. Sind euch bessere Beispiele bekannt?

Danach wechselten die Teilnehmenden an einen neuen Tisch. Die Tische waren vollflächig mit Papier beklebt. Die Ergebnisse der Gruppenarbeiten konnten direkt darauf notiert werden. Nachfolgende Gruppen hatten dann die Möglichkeit, mit diesen weiterzuarbeiten. Jeder der Tische wurde von einem der Berater*innen aus dem Kompetenzzentrum betreut. Diese stellten jeweils das Thema des Tisches vor, zeigten und beschrieben die Beispielfotos, stellen kurz die bisher erarbeiteten Stichworte vor und unterstützten beim Aufschreiben der neuen. Zum Abschluss wurden die Ergebnisse der drei Thementische in der großen Runde vorgestellt.

Menschen sitzen im Halbkreis, vorne rechts spricht Sylvia Pille-Steppat in ein Mikrofon

Barrierefrei über Barrierefreiheit sprechen

Für das Format war es besonders wichtig, auch organisatorisch und technisch die Barrierefreiheit im Blick zu behalten. Wilfried Laudehr, verantwortlich für den Bereich Information und Kommunikation, erläutert: „Die unterschiedlichen Bedarfe der sehr gemischten Teilnehmendengruppe mitzudenken und Barrierefreiheit entsprechend herzustellen, war eine gewisse Herausforderung“. Insbesondere der mehrfache Wechsel an neue Tische oder Sitzplätze verlangte von Teilnehmenden, Schriftdolmetschern und Veranstaltenden viel Flexibilität. Aber die hatten alle mitgebracht.

Eine Gruppe von Menschen unterhalten sich, um einen Tisch herum sitzend. An einem Tisch daneben sitzen zwei Schriftdolmetscherinnen, die dolmetschen.

Auffindbarkeit und Verständlichkeit sind nicht verhandelbar

Inhaltlich war sich die Runde am Ende der Veranstaltung einig. Eine Teilnehmerin brachte es auf den Punkt: „Dezent macht keinen Sinn!“ Die Beispiele der Arbeitstische verdeutlichten dies: Ein Aufzug muss so gestaltet sein, dass er auffindbar ist und darf auch nicht nachträglich zum Beispiel durch Gastronomiesonnenschirme „versteckt“ werden. Ein taktiles Leitsystem innerhalb eines Gebäudes sollte idealerweise dem standardisierten System aus dem Außenbereich erkennbar nachempfunden sein, damit es direkt verstanden werden kann – und ist am besten auch als visuelles Leitsystem nutzbar. Gern schön designt – aber mit eindeutigem Funktionsanspruch. Schließfächer in einem Bahnhof müssen auffindbar und taktil sowie kontrastreich beschriftet sein und so konstruiert, dass sie auch von kleinen Menschen oder Rollstuhlfahrenden genutzt werden können. Sie sollten sich in ihrer Gestaltung klar absetzen und nicht mit dem Hintergrund „verschmelzen“. Diese Ergebnisse können unsere Berater*innen nun in ihre Beratungs- und Fortbildungstätigkeiten integrieren.

Blick durch den Veranstaltungsraum, drei Tische mit Menschen, die sich jeweils in ihrer Gruppe unterhalten

Neues Format mit neuen Impulsen

„Das neue Format hat gut funktioniert“, freut sich Cornelia Zolghadri, verantwortlich für den Bereich Hochbau. „Wir wollten eine dynamische Veranstaltung, die die Teilnehmenden ermuntert, sich ganz direkt einzubringen. Das Konzept ist voll aufgegangen.“ Die Kleingruppen tauschten sich lebhaft aus. Eine Teilnehmerin meldete zurück, dass es gut war, die Berater*innen des Kompetenzzentrums direkt kennenlernen zu können. So ergäben sich auch gute Anknüpfungspunkte zum Netzwerken. Sylvia Pille-Steppat, verantwortlich für den Bereich Quartiersentwicklung, ist ebenfalls zufrieden: „Aus den Gesprächen kann ich neue Sichtweisen auf Alltagssituationen mitnehmen, wie z.B. das Bedienen eines Schließfaches aus der Perspektive blinder Menschen“.

Wir freuen uns, dass die Teilnehmenden den diesjährigen Selbsthilfebeirat so aktiv angenommen haben und sind schon gespannt auf die Veranstaltung im nächsten Jahr. Die Einladung dazu werden wir rechtzeitig per E-mail verschicken und auch hier auf unserer Website veröffentlichen.

Menschen sitzen um einen Tisch und unterhalten sich. Auf dem Tisch liegen zwei große Fotos. Zwei blinde Teilnehmer lesen mit Brailleschrift geprägte Papierbögen.

Ideenwettbewerb StadtRaumFluss

Zum Ausblick informierten wir am Ende der Veranstaltung über den Wettbewerb StadtRaumFluss, auf den wir während der Vorbereitungen zu unserer Veranstaltung aufmerksam geworden waren. Dieser ruft alle Hamburger*innen auf, Ideen einzubringen, wie unsere Stadt noch schöner, besser und lebenswerter werden kann. Wir denken, dass die Perspektive der Menschen mit Behinderung hierbei ganz wichtig ist. Ideen können ganz einfach eingereicht werden. Außerdem gibt es die Möglichkeit, online oder live an Ideensprechstunden und -werkstätten teilzunehmen. Bei Interesse finden sich alle Informationen hier:

Website StadtRaumFluss