Autofrei gleich barrierefrei? Erste Fachtagung des Kompetenzzentrums für ein barrierefreies Hamburg
Autofreie Quartiere sind gut fürs Klima, sie versprechen den Bewohnern eine bessere Lebensqualität, mehr Platz und frische Luft. Was zunächst traumhaft klingt, kann schnell zum Albtraum werden, etwa, wenn vertraute Elemente für die Orientierung verschwinden, Wegstrecken unüberwindbar lang werden oder der Radverkehr zum Sicherheitsrisiko für Fußgänger wird. Was bedeutet das für die Quartiersentwicklung?
Durch „Autofreiheit“ allein verschwindet nicht eine einzige Barriere. Stattdessen entstehen schnell viele neue, wenn nicht aufgepasst wird und wenn nicht diejenigen, die unsere Städte planen und bauen, die Prinzipien der Barrierefreiheit grundlegend und nachhaltig beachten. Damit wirklich alle von den Vorteilen autofreier Quartiere profitieren können, etwa auch ältere Menschen, Familien mit Kindern oder Menschen mit Behinderung, muss bei der Planung auf unterschiedliche, teils zunächst widersprüchliche Anforderungen Rücksicht genommen werden. Genau diese Chancen und Herausforderungen, die autoreduzierte Quartiere für Inklusion bieten, standen im Mittelpunkt der Fachtagung „Das Quartier der Zukunft – autofrei und inklusiv?“ des Kompetenzzentrums für ein barrierefreies Hamburg. Die Resonanz war groß. Über 50 Menschen aus Politik und Verwaltung, Planungsbüros, Stiftungen sowie der Selbsthilfe behinderter Menschen konnten wir am 9. November 2022 im Haus für Barrierefreiheit begrüßen.
Einem Grußwort der Staatsrätin für Stadtentwicklung und Wohnen, Monika Thomas, folgte eine bunte Reihe von Beiträgen, die das Thema aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchteten. Dabei ging es nicht nur um Hamburg. Susanne Findeisen, Referentin für nachhaltige Mobilität, Bremen, zeigte in ihrem Vortrag interessante Ansätze zur Umsetzung der Barrierefreiheit beim Stadtumbau. So wurde in einigen Quartieren u.a. durch ein konsequentes Parkraummanagement die Benutzbarkeit von Gehwegen wesentlich verbessert.
Auch Sylvia Pille-Steppat aus dem Kompetenzzentrum bot mit Beispielen aus Wien einen Blick über den Tellerrand. Sie zeigte beispielsweise, dass es sehr wohl möglich ist, auch in autofreien Straßen eine gute optisch und taktil erkennbare Trennung unterschiedlicher Bereiche und gute Orientierungsmöglichkeiten für Menschen mit einer Seheinschränkung zu schaffen.
Mit Konrad Rothfuchs, Geschäftsführer ARGUS und Christoph Schnetter, ELBBERG Stadtplanung, führten zwei Stadtplaner mit langjähriger Erfahrung ein kleines Fachgespräch auf der Bühne, das sowohl informativ als auch sehr unterhaltsam die Abfolge der Vorträge auflockerte.
Lea Gies, Q8 und Mathias Eichler, Pro Quartier, erläuterten den Betrieb einer „Mobilitätsstation“, in der unter anderem Lastenräder ausgeliehen werden können, am konkreten Beispiel der Neuen Mitte Altona.
Karsten Warnke, Beauftragter für Barrierefreiheit des BSVH machte deutlich, was aus der Sicht der Selbsthilfe behinderter Menschen die Ansprüche an barrierefreie Stadtquartiere sind, auch und gerade dann, wenn diese autofrei sein sollen.
In einer abschließenden Podiumsdiskussion trafen alle Beteiligten noch einmal zusammen und stellten sich den Fragen und Anregungen des Publikums. Als Moderatorin führte Anna Dobert, Kompetenzzentrum, durch das Programm.
Die Veranstaltung war ein voller Erfolg und ein spannendes Zusammentreffen unterschiedlicher Akteure der Hamburger Stadtplanung. Es wurde nicht nur der große Handlungsbedarf deutlich, sondern auch viele Anregungen gesammelt, Denkanstöße gegeben und der gemeinsame Austausch gefördert. Daran möchten wir im nächsten Jahr anknüpfen und planen jetzt schon die zweite Fachtagung im November 2023.